Alt-Bundesrichterin Brigitte Pfiffner findet klare Worte für Urteile, in denen die Schweiz vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügt wurde. Sie seien «politisch gefärbt» und «juristisch nicht haltbar».

Alt-Bundesrichterin Brigitte Pfiffner findet klare Worte für zwei Urteile, in denen die Schweiz vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügt wurde. Sie seien «politisch gefärbt» und «juristisch nicht haltbar».

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) rügte die Schweiz dafür, dass sie klimapolitisch zu wenig mache. Nun meldet sich auch die grüne Alt-Bundesrichterin Brigitte Pfiffner zu Wort: Sie kritisiert das Urteil des EGMR scharf.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gab im April einer Klage der sogenannten Klimaseniorinnen recht: Die Schweiz schütze durch ihre mangelhafte Klimaschutzpolitik die Gesundheit älterer Frauen zu wenig. Das Urteil sorgte politisch für Furore. Bundesrat Albert Rösti wehrte sich und betonte, dass für ihn massgebend sei, was die Schweizer Bevölkerung an der Urne entschieden habe – etwa, dass das CO2-Gesetz abgelehnt, das Klimagesetz hingegen angenommen wurde.

Jetzt kritisiert auch die grüne Alt-Bundesrichterin Brigitte Pfiffner (72) in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» das Urteil scharf: Es sei aus ihrer Sicht juristisch nicht haltbar – das Gericht mache Politik, anstatt die Menschenrechtskonvention auszulegen. «Dünne der Argumentation hat mich erschüttert». Beim Urteil stütze sich das Gericht einerseits auf internationale Verträge, die die Schweiz unterzeichnet habe, andererseits auf die sogenannte Soft Law – also internationale Richtlinien, die nicht demokratisch abgestützt seien. «Pikanterweise werden im Urteil auch EU-Richtlinien erwähnt, obschon die Schweiz nicht EU-Mitglied ist», sagt Pfiffner. Schon das sei fragwürdig. Wichtiger aber sei, dass das Gericht in seiner Urteilsbegründung kaum auf zentrale Fragen eingehe: Etwa, weshalb «plötzlich» ein Verein wie die Klimaseniorinnen beschwerdeberechtigt oder in welchem Menschenrecht der Verein verletzt sei. «Das wird im 138-seitigen Urteil auf nur elf Zeilen abgehandelt», moniert die Alt-Bundesrichterin.

«Durch solche Urteile bekommt das Gericht immer mehr Akzeptanzprobleme – das Ansehen des EGMR ist in vielen Ländern bereits stark am Sinken», so die Alt-Bundesrichterin. Den Richtern sei es teils wichtiger, ein «politisches Zeichen zu setzen, als dem Recht zu folgen», sagt sie. Der Rechtsspruch des Gerichtshofs sei nicht mit der direkten Demokratie vereinbar, sagte Umweltminister Rösti – schliesslich sei es eine Entscheidung des Schweizer Volks, klimapolitisch im Moment nicht mehr zu tun. Dem stimmt auch Pfiffner zu: «Ich bin zwar eine Grüne, in diesem Punkt muss ich Albert Rösti aber recht geben.» Das Gericht überschreite «klar» seine Kompetenzen, wenn es «Gesetzgebung und gar Volksabstimmungen eines Landes übersteuert».