Die Schweizer Stimmbevölkerung stimmt überraschend gegen den Ausbau ihrer Autobahnen. Es ist auch ein Plebiszit über die starke Zuwanderung, die die Schweiz seit Jahren erlebt.

Autobahn_Ausbau_NEIN Die Schweizer stimmen überraschend gegen den Ausbau ihrer Autobahnen. Es ist auch ein Plebiszit über die starke Zuwanderung, die das Land seit Jahren erlebt.

Die Schweiz hat am Sonntag über vier Vorlagen abgestimmt – darunter über den Autobahnausbau. Die Schweizer Stimmberechtigten erteilten dem Anliegen mit 52,7 Prozent eine Absage. Abstimmungsumfragen sagten bereits im Vorfeld eine knappe Abstimmung voraus.

Der Autobahnausbau wurde abgelehnt. Herbe Niederlage für Verkehrsminister Albert Rösti: 52,7 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung haben Nein gestimmt. Bund und Parlament setzten sich für den Ausbau mit einem Kostenpunkt von 4,9 Milliarden Franken ein, doch aufgrund des ergriffenen Referendums hatte das Volk nun das letzte Wort. Und dieses lautete: Nein.

Bereits die Abstimmungsumfragen deuteten auf ein enges Rennen hin. Bei den ersten Hochrechnungen sagten jedoch bereits 55,3 Prozent Nein zum Autobahnausbau. Auch wenn die zweite Hochrechnung tiefer ausfiel, jubelten die Gegner bereits.

Was auf den ersten Blick wie ein überraschender Triumph der rotgrünen Parteien und Umweltverbände aussieht, ist ebenso sehr ein Sieg der konservativen und reaktionären Kräfte in der Schweiz. Ihr Nein war aber kein Nein gegen das Auto, kein Nein gegen mehr Strassen. Sie wollten keine neuen Autobahnen finanzieren, weil es die ihres Erachtens gar nicht bräuchte. Schuld an den stetig wachsenden Staus sind nämlich nicht die fehlenden Spuren oder Tunnel, sondern die vielen Ausländer, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ins Land kamen. Die Autobahnvorlage wurde auch zu einem Plebiszit über die Zuwanderung.

Daraus wird nun nix. In den Städten wurde die Ausbauvorlage teils massiv verworfen. Die Ausbaugegner kritisierten, es fehle ein Gesamtkonzept, die Projekte seien „zu gross für die Schweiz“. Hunderte Verkehrsplaner stellten in einem offenen Brief den Nutzen der sechs Projekte infrage. Aktuelle Statistiken zeigten, dass an einigen der Stellen, die ausgebaut werden sollten, die Staus in den vergangenen Jahren nicht zu, sondern abgenommen haben. Widerstand leisteten aber auch die Bauern. Obschon sich der mächtige Bauernverband klar für den Ausbau ausgesprochen hatte, fürchteten Landwirte um das wertvolle Kulturland, das im eng bebauten Schweizer Mittelland sowieso immer knapper wird. Zahlreiche lokale Komitees engagierten sich gegen die Projekte vor ihrer Haustüre. Und mitten im Abstimmungskampf hieß es aus dem Bundesamt für Umwelt, das ebenfalls Verkehrsminister Rösti unterstellt ist: Die gesamtwirtschaftlichen Kosten, die der motorisierte Verkehr verursacht, seien viel größer als bisher angenommen. 21,5 statt 16,6 Milliarden Franken.

Noch bevor das Endresultat feststand, jubelten die Grünen über die „Verkehrswende“. Die Anti-Auto-Lobby möchte die Verkehrspolitik der Schweiz grundsätzlich neu ausrichten. Sämtliche geplanten Autobahnprojekte sollen hinterfragt werden. Statt in neue Strassen müsse in S-Bahnen, Busse, Trams und Velowege investiert werden. Der Verkehrsclub der Schweiz will auch den Nationalstrassenfonds „einer grundlegenden Reform“ unterziehen und fordert eine Verzichtsplanung für neue Autobahnen. Auch weil die Schweiz nur so ihre Klimaziele erreichen könne, für deren mangelhafte Umsetzung sie kürzlich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügt wurde. Ebenso rutschte sie jüngst in den internationalen Klimaschutzrankings nach hinten ab.