57’000 Ausländer wurden 2013 in der Schweiz verhaftet. Doch nur 376 von ihnen mussten im gleichen Jahr das Land verlassen. Denn beim Vollzug sind die Behörden am Anschlag.
Die Schweizer Gefängnisse sind überfüllt. .
Im Genfer Champ-Dollon teilen sich über 900 Häftlinge Zellen, die für 390 Personen gebaut wurden. 74 Prozent aller Gefängnisinsassen in unserem Land haben keinen Schweizer Pass. Kriminelle Ausländer sorgen seit Jahren für Schlagzeilen: der Kosovare, der einem Schwinger in Interlaken BE mit einem Messer die Kehle aufschnitt. Die drei Raser von Schönenwerd SO, die sich im November 2008 ein Rennen lieferten und die 21-jährige Lorena in den Tod rissen. Die Sozialhilfe-Empfängerin Suleika F., die zwei BWMs und einen Peugeot besass.
Am 28. November 2010 hatte das Volk genug. Mit über 52 Prozent nahm der Souverän die Ausschaffungsinitiative der SVP an. Ihr Ziel: Ausländische Kriminelle und Sozialhilfe-Betrüger sollten von nun an automatisch die Schweiz verlassen müssen. Die meisten Parteien, der Bundesrat und das Parlament waren gegen die Initiative. Auch, weil der Bundesrat schon im Januar 2009 ein Versprechen abgegeben hatte: Wer eine zweijährige Freiheitsstrafe erhält, sollte künftig automatisch ausgeschafft werden. Damit müssten heute eigentlich wesentlich mehr Ausländer ausgeschafft werden als früher.
Jetzt aber zeigen Recherchen von SonntagsBlick: Die Schweiz wird die kriminellen Ausländer nicht los. Die Zahl der Ausweisungen stagniert seit Annahme der Initiative. Entzogen die Migrationsbehörden im Jahr 2011 insgesamt 365 straffälligen Ausländern die Aufenthaltserlaubnis, waren es 2013 kaum mehr: 376 verloren ihren Ausweis – obwohl im gleichen Jahr fast 57’000 Ausländerinnen und Ausländer verurteilt worden waren. 2014 stieg die Zahl auf 443.
Besonders lax geht der Kanton Genf mit der Ausschaffung um: Die Behörden wiesen dort zwischen Oktober 2009 und April 2015 gerade einmal fünf kriminelle Ausländer aus. Ganz anders der Kanton Waadt: 2014 mussten 81 straffällige Ausländern ihre Bewilligung abgeben – sechzehn Mal mehr als in Genf in über fünf Jahren!
Kommt hinzu: Der Entzug der Aufenthaltsbewilligung bedeutet noch lange nicht, dass die kriminellen Ausländer wirklich gehen müssen. Zum einen stehen den Ausländern alle Rechtsmittel offen. Sie können bis nach Strassburg rekurrieren und die Ausschaffung jahrelang verzögern. Zum anderen können viele Ausländer nicht ausgeschafft werden, weil ihre Heimatländer sie nicht zurücknehmen.
«Was viel mehr bringt, sind Rückübernahmeabkommen», sagt Ott. Das zeige sich im Fall von Nigeria. Dort habe sich die Situation entspannt, seit der Bundesrat 2011 mit dem afrikanischen Land die «Migrationspartnerschaft» vereinbarte. Ist die Aufenthaltsbewilligung weg, bleiben viele Ausländer einfach illegal im Land. Ott: «Sehr viele tauchen unter. Bei Kontrollen finden wir in 90 Prozent der Fälle jemanden, der illegal hier ist.» Noch vor wenigen Jahren sei das nur in der Hälfte der Fälle passiert.