In der Schweiz erschüttert ein mutmasslicher Skandal um gefälschte Unterschriften die direkte Demokratie. Der Hauptbeschuldigte Franck Tessemo nimmt Stellung.

Unterschriften-Skandal: Verdacht auf systematischen Betrug Franck Tessemo

In der Schweiz erschüttert ein mutmasslicher Skandal um gefälschte Unterschriften die direkte Demokratie. Die Organisation «Incop» und ihr Leiter Franck Tessemo werden des systematischen Wahlbetrugs beschuldigt.

Die Schweiz wird von einem mutmasslichen Skandal um gefälschte Unterschriften aufgewühlt, der die direkte Demokratie erschüttern könnte, wie Recherchen der Tamedia-Zeitungen aufdecken. Noémie Roten (35), Co-Präsidentin der Service-Citoyen-Initiative, beschuldigt die Lausanner Organisation «Incop» und deren Leiter Franck Tessemo des systematischen Betrugs. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Wahlfälschung gegen «Incop», Tessemo und weitere unbekannte Personen.

Die Zusammenarbeit zwischen Noémie Roten und Franck Tessemo begann laut den Tamedia-Zeitungen hoffnungsvoll. Die Vereinbarung sah vor, dass Incop innerhalb eines Monats 10’000 Unterschriften zu einem Preis von 4.50 Franken pro Unterschrift liefert. Dies erschien zunächst günstig, da Tessemo versicherte, nur gültige Unterschriften zu liefern, wodurch der aufwendige Beglaubigungsprozess bei den Gemeinden entfalle. Doch die gelieferten Unterschriften waren grösstenteils ungültig.

Von 1’159 Unterschriften aus Lausanne waren 423 ungültig, in Freiburg 61 von 167 und in Coppet zwölf von 13. Solche hohen Ungültigkeitsquoten, die von 35 bis über 90 Prozent reichen, sind ungewöhnlich; normalerweise liegen diese bei etwa acht bis zwölf Prozent. Sie reisen fürs Unterschriftensammeln in die Schweiz ein: Hinter «Incop» stehe ein undurchsichtiges Netz von kommerziellen Unterschriftensammlern, das in den letzten Jahren in der Schweiz, insbesondere in der Westschweiz, gewachsen ist. «Incop» selbst sei formal ein Verein, agiere aber de facto als dominantes Unternehmen in einem schnell wachsenden Markt.

Neben «Incop» gebe es inzwischen mindestens ein Dutzend weitere Anbieter, die meisten davon in der Romandie, die ebenfalls in den Skandal verwickelt sein könnten. Viele dieser Organisationen würden oft schlecht bezahlte Sammler beschäftigen, die extra aus dem Ausland einreisen – beispielsweise aus dem Maghreb oder Frankreich.

Im Laufe der Untersuchungen entdeckte Noémie Roten in ihrer «Kommandozentrale» in Zürich zahlreiche Hinweise auf systematischen Betrug: Unterschriften von Personen, die seit Jahren nicht mehr in den angegebenen Gemeinden leben, gefälschte Geburtsdaten und vielfach wiederholte Unterschriften angeblich derselben Person in unterschiedlichen Handschriften.

In einigen Fällen wurden sogar ganze Unterschriftenbögen abgeschrieben, beispielsweise von der Initiative «Für einen Tag Bedenkzeit vor jeder Abtreibung». Die Vorfälle weisen daraufhin, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um organisierten Betrug handelt. Die Bundesanwaltschaft bestätigte inzwischen, dass sie «mehrere Verfahren wegen des Verdachts der Wahlfälschung» führt und bereits «verschiedene Zwangsmassnahmen, insbesondere Hausdurchsuchungen und Einvernahmen» durchgeführt hat. Die Ermittlungen umfassen mehrere Volksinitiativen sowie Unterschriftensammler verschiedener Firmen, darunter auch neuere Anbieter wie Pôle Swiss.